Wenn aus Kontrolle Vertrauen wird

Kontrolle und Vertrauen – auf den ersten Blick ein Gegensatz. Doch in Familienunternehmen ist es komplexer; beide haben ihre Berechtigung. Die Kunst liegt darin, zu erkennen, wann der Übergang stattfinden muss.

In der Aufbauphase ist Kontrolle nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Sie schafft Struktur, begrenzt Risiken, gibt jungen Teams Sicherheit. Viele Unternehmer verdanken ihren Erfolg disziplinierter Führung. Im Generationenübergang aber verändert sich die Rolle der Kontrolle. Was jahrelang Stärke war, wird zur Hürde – nicht weil Kontrolle falsch wäre, sondern weil sie einen anderen Platz braucht.

Die Herausforderung kennen beide Seiten: Die übergebende Generation möchte das Lebenswerk schützen – verständlich. Die nachfolgende Generation will gestalten, lernen, eigene Wege gehen – ebenso verständlich. Zwischen diesen legitimen Bedürfnissen entsteht Spannung. Viele Nachfolgen stocken, weil diese nicht aufgelöst wird. Entscheidungen werden getroffen – aber nicht ganz. Verantwortung wird übergeben – aber nicht vollständig. Das frustriert und bremst das Unternehmen.

Der Weg liegt nicht in weniger Kontrolle, sondern in mehr Klarheit: Wer entscheidet was? Nach welchen Werten? Innerhalb welcher Grenzen? Instrumente wie Familienverfassung und Eignerstrategie schaffen diese Klarheit. Sie definieren Rollen, Zuständigkeiten und Entscheidungswege – keine Kontrolle durch die Hintertür, sondern Orientierung. Und sie schaffen Raum für das, was jede Nachfolge braucht: die Möglichkeit zu lernen, auch durch Fehler. Die nachfolgende Generation wächst nicht durch perfekte Entscheidungen in ihre Rolle, sondern durch eigene Erfahrungen. Die übergebende Generation kann begleiten, ohne zu bevormunden.

Der Übergang ist für beide ein Prozess. Er braucht Zeit, Geduld und oft externe Begleitung. Die Frage ist nicht, ob Kontrolle nötig ist. Die Frage ist, wann der Zeitpunkt gekommen ist, sie in Vertrauen zu verwandeln. Denn: Kontrolle sichert die Gegenwart. Vertrauen sichert die Zukunft.

Kolumne von Dr. Stefan Schneider, Partner der CONTINUUM AG, LEADER Magazin Ausgabe November/Dezember 2025