Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen: Erfolgreich über Generationen sichern

NextGen und Wertewandel: Herausforderungen der familieninternen Nachfolge
Viele KMU in der Schweiz stehen vor einem Generationenwechsel. Studien zeigen: Fast 50 % der Familienunternehmen suchen Nachfolgelösungen – rund 40 % haben jedoch noch keine. Die Motivation zur familieninternen Nachfolge sinkt, was auch am gesellschaftlichen Wertewandel liegt: Die nachkommende Generation strebt weniger nach materiellem Erfolg und mehr nach Sinn, Selbstverwirklichung und Work-Life-Balance. Unternehmertum gilt nicht mehr als selbstverständlich, sondern als individuelle Entscheidung mit hohen Anforderungen.
Zudem erschweren externe Rahmenbedingungen wie Bürokratie, Steuerlast oder wirtschaftliche Unsicherheiten den Schritt ins Unternehmertum. Viele potenzielle Nachfolger:innen bevorzugen es, zunächst externe Berufserfahrung zu sammeln. Das ist sinnvoll – es fördert Kompetenzen und Perspektivenvielfalt, auch wenn die emotionale Bindung ans Familienunternehmen bestehen bleibt.
Ein oft verpasster Absprung: Wenn die Übergabe zu spät kommt
Oft wird das Thema Nachfolge zu spät, zu unsystematisch und ohne Plan angegangen. Für viele Unternehmer:innen ist ihr Betrieb untrennbar mit ihrer Lebensidentität verbunden. Der passende Zeitpunkt für den «Absprung» wird verpasst, insbesondere wenn es keinen Impuls aus der Familie gibt, sich frühzeitig mit Zukunftsfragen auseinanderzusetzen. Historisch war die Nachfolge innerhalb der Familie meist gesetzt – heute ist das keine Selbstverständlichkeit mehr.
Deshalb ist es umso wichtiger, rechtzeitig einen strukturierten Heranführungsprozess zu starten. Nur so entsteht ein Bewusstsein bei der nächsten Generation für Chancen und Herausforderungen – und für das, was eine Unternehmensführung bedeutet.
Familienverfassung als Kompass
Eine bewährte Methode ist die Einführung einer Familienverfassung (auch Familiencharta). Sie ist mehr als ein Dokument – sie definiert Normen, Werte, Ziele, Rollen und Kommunikationsregeln innerhalb der Unternehmerfamilie. Ziel ist nicht primär die Gewinnmaximierung, sondern die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens über Generationen hinweg.
Der Erarbeitungsprozess braucht Zeit (3–12 Monate), ist aber lohnenswert. Auch wenn keine umfassende Verfassung möglich ist, kann bereits eine einfache schriftliche Regelung zur Zusammenarbeit, zum Umgang mit Konflikten oder zur Rollenklärung positive Effekte erzielen. Sie hilft, private und geschäftliche Rollen zu trennen – ein wichtiger Aspekt für Kinder, die mit dem Unternehmen aufgewachsen sind.
Transparente Nachfolgeprozesse: Fairness vor Familienbonus
In einer Familienverfassung wird auch definiert, wer unter welchen Voraussetzungen Führungsverantwortung übernehmen kann. Die Familienzugehörigkeit allein sollte nicht ausschlaggebend sein. Ein externer, professionell begleiteter Auswahlprozess ist essenziell. Dabei müssen Familienmitglieder sich mit externen Kandidat:innen messen lassen – im Sinne der Unternehmenssicherung.
Der Auswahlprozess sollte sowohl Eignung als auch Neigung berücksichtigen. Nur wenn beides gegeben ist, entsteht unternehmerische Energie. Wichtig ist auch die transparente Kommunikation innerhalb des Aktionärskreises. Fehlt diese, können Kränkungen entstehen, die langfristig schaden.
Zudem lohnt es sich, den Begriff «Familie» generationenübergreifend und systemisch zu denken: Auch jüngere Mitglieder mit Entwicklungspotenzial können zukünftig zentrale Rollen einnehmen – manchmal mehr als die älteren Geschwister, die aktuell in Ausbildung oder Studium stehen.
Konkrete Strategien: Unternehmen und Familie verstehen
Eine erfolgreiche Nachfolgeplanung stützt sich auf zwei Säulen:
- Organisationsstruktur: Wie ist das Unternehmen aufgebaut? Welche Tochterfirmen, Beteiligungen oder Verflechtungen gibt es?
- Familienstruktur: Wer sind die Familienmitglieder? Welche Stärken und Interessen bringen sie mit? Wer hat Lust und Potenzial für Führungsverantwortung? Gibt es familiäre Dynamiken, die bestimmte Rollenbesetzungen erschweren?
Konflikte innerhalb der Familie, die unausgesprochen bleiben, wirken sich negativ auf das Unternehmen aus – darum ist dieser Reflexionsprozess so zentral.
Fazit: Früh beginnen – systematisch vorgehen
Nachfolge sollte nicht dem Zufall überlassen bleiben. Die bewusste Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wie ein Familienmitglied eine Rolle übernehmen möchte, eröffnet neue Perspektiven und Entwicklungsräume. Eine professionelle Heranführung – durch Schulungen, Coachings oder Programme wie das Förderungs- und Forderungsprogramm von Continuum – ist entscheidend.
Doch letztlich beginnt alles im Elternhaus: Wie sprechen die Eltern über das Unternehmen? Wird es als Chance oder Belastung wahrgenommen? Je präsenter das Familienunternehmen für die heranwachsende Generation ist, desto grösser sind die Erfolgschancen für eine tragfähige Nachfolgelösung.
Artikel von Rolf Brunner, Partner CONTINUUM AG