ESG: Nachhaltigkeit als Chance?
Trotz oder gerade wegen der derzeit vorherrschenden Krisenthemen wie Pandemie, Ukraine und Klimawandel darf der notwendige Umbau der Wirtschaft bei ESG (Environmental, Social und Governance) nicht in den Hintergrund treten. Trotz der Komplexität kann es für mittelständische Familienunternehmen eine Chance der Weiterentwicklung und der Zukunftssicherung sein.
Zugegeben, der Begriff «Nachhaltigkeit», der derzeit in alle Munde ist, klingt sperrig und wenig greifbar. Tatsächlich versteht jeder etwas anderes darunter und Definitionen gibt es viele. Die wohl gebräuchlichste Definition geht auf die Vereinten Nationen aus dem Jahr 1987 zurück, wonach eine nachhaltige Entwicklung eine Entwicklung ist, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende. Dabei stehen im Zentrum nicht nur die Umwelt (Reduzierung CO₂ etc.), sondern auch wirtschaftliche und soziale Aspekte. Die UN-Charta Nachhaltigkeit hat dies in 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung konkretisiert:
«Keine Armut, kein Hunger, Gesundheit und Wohlergehen, hochwertige Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, bezahlbare und saubere Energie, menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, Industrie, Innovation und Infrastruktur, weniger Ungleichheiten, nachhaltige Städte und Gemeinden, nachhaltige/r Konsum und Produktion, Massnahmen zum Klimaschutz, Leben unter Wasser, Leben an Land, Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen, Partnerschaften zum Erreichen der Ziele.»
Grundlagen für nachhaltigen Erfolg legen
Das hat unmittelbaren Einfluss auf Unternehmen: Finanzierungen und damit Umfang der Kreditzusage und deren Konditionen werden zunehmend an den Grad der Nachhaltigkeit der unternehmerischen Tätigkeit geknüpft. Das Haftungsrisiko bei Nichtbeachtung oder Nichteinhaltung der ESG-Anforderungen steigt; auch ein Fortführungsrisiko kann gegeben sein, falls das Geschäftsmodell die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen nicht hinreichend berücksichtigt.
Nun stehen Familienunternehmen, die über Generationen weitergegeben und weitergeführt werden, per se für wirtschaftliche «Nachhaltigkeit». Ein Familienunternehmen agiert in der Regel langfristig und ist nicht auf kurzfristige Gewinne und schnelle Erfolge aus. Es gilt, das Unternehmen auch für nächste Generationen zu erhalten und Grundlagen für einen nachhaltigen Erfolg für die Zukunft zu legen.
Schwerpunkte setzen, Handlungen ableiten und Regelkreise etablieren
Nicht nur wegen der mittlerweile geltenden und von der EU konkretisierten Regulatorien, sondern gerade auch, um den Generationswechsel attraktiver werden zu lassen und auch der NextGen einen Sinn für eine Übernahme und Fortführung des Unternehmens zu geben, ist es angebracht, rechtzeitig die ESG-Themen und die in der UN-Charta festgehaltenen Ziele sowohl in der Familienstrategie als auch in der Unternehmensstrategie zu definieren. Es sollten Schwerpunkte gesetzt und daraus Handlungen abgeleitet und Regelkreise etabliert werden.
Dabei ist es sinnvoll, wenn die jetzigen und zukünftigen Unternehmenslenker und Mitglieder des Familienunternehmens gemeinsam mit einer unabhängigen und erfahrenen Beratung diese wichtigen Zukunftsthemen erörtern und definieren.
Susanne Kutterer, Partnerin bei der Continuum AG