Familienexterne Manager:in in Familienunternehmen

19. August 2024
Familienexterne Manager:in in Familienunternehmen

Eine neue Liebesbeziehung? Die Arbeitswelt verändert sich grundlegend – natürlich auch in Familienunternehmen. Waren sie vor Jahren als Arbeitgeber für familienfremde Manager:innen oft weniger attraktiv, so weht heute ein frischer Wind in diese Konstellation. Vorab: Warum haben wir uns für den Begriff «Familienexterne Manager:in» entschieden? Wer gibt schon gerne etwas, was ihm lieb und teuer ist, in die Hände eines Fremden? Viel eher vertraut jemand etwas, was er über Jahre aufgebaut hat, einem anderen an, wenn dieser ihm ebenso vertraut ist. Und: Da diese Person nicht aus der eigenen Familie stammt (familienintern), kommt nur eine familienexterne Person in Frage.

Der Einsatz von familienexternen Manager:innen in Familienunternehmen neben oder ohne Familiengesellschafter auf C-Level ist heute in der absoluten Mehrheit der Familienunternehmen die Regel. Bei den Gesellschaftern hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Besten und Geeignetsten das Unternehmen führen sollen, um neben der Wettbewerbsfähigkeit, der Ertragskraft und dem Unternehmenswert auch die Dividendenfähigkeit und das Familienvermögen zu sichern und zu steigern.

Die Gründe für deren Engagement sind ebenso zwingend wie vielfältig: So verfügen potenzielle Nachfolger:innen aus dem Gesellschafterkreis teilweise noch nicht über die erforderliche Praxis und Führungserfahrung und benötigen ein erfahrenes Führungsteam an ihrer Seite. Häufig fehlt es aber auch schlicht an qualifizierten Familienmitgliedern oder die in Frage kommenden Familienmitglieder sind (noch) nicht bereit, in die operative Führung des Unternehmens einzusteigen.

Familienexterne Manager:innen kommen auch dann zum Einsatz, wenn sich die Gesellschafter:innen nicht auf einen oder mehrere Kandidat:innen aus dem Gesellschafterkreis für die Unternehmensführung einigen können. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich nicht um ein Interimsmanagement handelt, sondern um eine längerfristige und damit nachhaltige Nachfolgelösung. Eher selten werden familienexterne Manager:innen von externen Kapitalgebern und/oder zusätzlichen neuen Gesellschafter:innen eingesetzt, um den Einfluss der Familie auf das operative Geschäft zu reduzieren.

Der frische Wind im Bereich des familienexternen Managements weht also nicht in der Form, dass HR-Abteilungen bei der Personalsuche Überzeugungsarbeit leisten müssen, um C-Level-Positionen zu besetzen. Vielmehr macht sich zunehmend ein Push-Effekt bemerkbar, der in der veränderten, deutlich positiveren Wahrnehmung von Familienunternehmen auf Bewerberseite begründet ist und die sogenannten Hidden Champions direkt in die Wahrnehmung potenzieller Kandidaten «weht».

Hidden Champions – aus der Randlage ins Licht

Das traditionelle Narrativ über Familienunternehmen wurde über Jahre hinweg gepflegt: Scheinbar unattraktive geografische Standorte, verkrustete und eher verstaubte Organisationsstrukturen und – prozesse, häufig patriarchalisch geführte bzw. auf wenige «mächtige Macher:innen» ausgerichtete Führungs- und Entscheidungsstrukturen und mit Blick auf das Rollenspiel an der Schnittstelle zwischen Familie, Top-Management und Mitarbeitenden oft ungeklärte «Family Relations». So ist es nicht verwunderlich, dass sich in den bei Absolventen beliebten Rankings der besten Arbeitgeber und in den Suchprofilen der Headhunter für Professionals nur vereinzelt Familienunternehmen finden, obwohl die Attraktivität auf Unternehmens- und Marktseite eigentlich schon immer eine andere Realität zeigte.

Die KMU und ihre Familienunternehmen sind seit jeher das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, mit den höchsten Beschäftigungsquoten, den meisten Innovationsmeldungen, geringen Fluktuationsraten, starken Mitarbeiterkulturen und oft führenden Marktpositionen weit über den Heimmarkt hinaus. Doch heute erscheint das Gesamtpaket im Kontext deutlich attraktiver: Das «Outback» im Sinne von regionalen Unternehmensstandorten gewinnt im Zuge der Digitalisierung an Attraktivität. Der nachhaltige Umgang mit der Ressource «Mitarbeiter:innen» beeinflusst die WorkLife-Balance und New-Work-Ansätze erhöhen die Wertschätzungs- und Kooperationskultur. Hinzu kommt, dass gerade Familienunternehmer:innen der Nachfolgegenerationen selbstgewählt eine neue Distanz zum eigentlichen Tagesgeschäft einnehmen: Sie übernehmen zunehmend Gremienfunktionen abseits der operativen Unternehmensführung, was wiederum den Bedarf an professionellen, auch international erfahrenen «Zugpferden» im Management erhöht und gleichzeitig das Onboarding durch professionellere Führungskulturen deutlich vereinfacht.

Stolperfallen und Hindernisse

Ob früher Pull- oder heute eher Push-Effekt bei familienexternen Managern in Familienunternehmen: Die Gründe für das Scheitern folgen immer den gleichen Mustern. Bereits beim Einstellungsgespräch wird das familienexterne Management häufig nicht oder zu wenig über die aktuelle Unternehmenssituation und die spezifischen Herausforderungen informiert. Eine schriftlich formulierte und verbindliche Unternehmensstrategie, aus der die Ziele, Erwartungen und Wertvorstellungen der Eigentümer:in hervorgehen, fehlt häufig ebenso wie klar definierte Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen des familienexternen Managements in der Zusammenarbeit mit den Eigentümer:innen. Auch die emotionale Bindung der Familie an das Unternehmen und die bestehenden Kontakte zu Kund:innen, Lieferanten und Mitarbeiter:innen schränken die Entscheidungsfindung und -umsetzung des familienexternen Managements ein. Die Verbreitung einer Familienstrategie, die in einer griffigen Familienverfassung verankert ist, fehlt gänzlich, da nicht vorhanden. Oder, wenn vorhanden, wird sie gerade dem familienexternen Management nicht oder nur unzureichend kommuniziert. Solche Tatsachen können zu Konflikten führen, insbesondere dann, wenn bestimmte, zum Teil negative Verhaltensmuster auf beiden Seiten nicht auf den Tisch gelegt werden. Unsere Empfehlung lautet daher: Bringen Sie den Fisch auf den Tisch.

Daraus resultierende Konflikte sind nicht per se ein Misserfolg, sondern vielmehr eine Chance. Die Eigentümer bzw. Gesellschafter und ihre familieninternen und familienexternen Manager können konkrete Massnahmen ergreifen, damit die Integration und der Einsatz des familienexternen Managements nachhaltig erfolgreich wird bzw. bleibt.

Für den Einstieg ist z.B. eine Vorstellung des neuen externen Managements durch die Eigentümer:in im Rahmen einer Mitarbeiterveranstaltung sehr hilfreich, begleitet z.B. durch ein 100-Tage-Programm zur Einarbeitung und Umsetzung von Schlüsselaktivitäten. Die Erarbeitung einer strategischen Planung sollte dabei eine zentrale Rolle spielen. Natürlich ist es für das familienexterne Management entscheidend, dass die verabschiedete Führungsorganisation und die Führungs-/ Entscheidungsprozesse gelebt werden, gleichzeitig aber auch, dass es die bestehende Family Governance bzw. Familienverfassung kennt und regelmässige Feedbackgespräche mit den Gesellschaftern und Organmitgliedern (Beiräten) führt. Dabei gilt: Keine Vorschusslorbeeren, aber genügend Vertrauensvorschuss!

Fazit

Familienunternehmen werden für familienfremde Manager:innen immer attraktiver – und umgekehrt. Kann man von einer neuen Liebesbeziehung sprechen? Nur dann, wenn frühzeitig die relevanten Anforderungen der Familie an die familienexterne Manager:in und umgekehrt geklärt werden, das entsprechende Mindset zur Integration vorhanden ist und ein strukturiertes, ergebnisorientiertes und realistisches Onboarding verfolgt wird, um nachhaltig gemeinsame Perspektiven zu eröffnen und die Zukunft des Unternehmens zu gestalten.

Rolf Brunner, Partner und VR-Mitglied CONTINUUM AG